Kapitel 4: Die Auswirkung von Obstruktion auf Grenzgröße/Kontrast




Jedes Newtonteleskop klassischer Bauart benötigt einen Sekundärspiegel/ Fangspiegel, der das Sternlicht seitlich aus dem Tubus herauslenkt. Der Fangspiegel ist in der Regel unter einem Winkel von 45° im Strahlengang angebracht, weshalb er eine elliptische Form hat. Den Durchmesser der langen Seite bezeichnet man als lange Achse, den Durchmesser der kurzen Seite hingegen als kleine Achse, welche wiederum den Fangspiegeldurchmesser definiert. Es gilt also:

Fangspiegeldurchmesser = Länge der kleinen Achse

Schaut man direkt von vorne in den Strahlengang, so weist der Fangspiegel eine kreisrunde Querschnittsfläche auf. Der Durchmesser entspricht auch hier wiederum der Länge der kleinen Achse.

Die Obstruktion kann man auf zweierlei Arten betrachten: 1. auf die Fläche bezogen und 2. auf den Durchmesser bezogen. Im ersten Fall rechnet man die Flächen von Haupt- und Fangspiegel aus und bildet das Verhältnis. Damit lässt sich bestimmen, wie viel Sternenlicht durch die Abschattung verloren geht. Im zweiten Fall teilt man den Durchmesser des Fangspiegels durch den Durchmesser des Hauptspiegels. Man erhält damit die „lineare Obstruktion“, die einen Wert zwischen 0 und 1 annehmen kann. Sehr oft wird die lineare Obstruktion auch als Prozentwert angegeben.


1) Einfluss der Obstruktion auf die Sternabbildung


Wird der Strahlengang eines Spiegelteleskops abgeschattet, so ändert sich natürlich auch die Sternabbildung. Wir schauen uns im Folgenden nur den Einfluss des Fangspiegels im Strahlengang an. Die Effekte durch die Fangspiegelhalterung (Spinnenarme) wollen wir vernachlässigen.

Die Größe des Fangspiegels kann bei einem gegebenen Hauptspiegeldurchmesser natürlich variiert werden. Bei der visuellen Beobachtung kann ein kleinerer Fangspiegel zum Einsatz kommen (~20% lineare Obstruktion), weil der Helligkeitsabfall am Bildfeldrand nicht ins Gewicht fällt. Bei der fotografischen Nutzung des Teleskops möchte man hingegen ein gleichmäßig ausgeleuchtetes Bildfeld, so dass der Fangspiegel größer sein muss (~30-35% lineare Obstruktion).

Als Teleskop soll in den folgenden Beispielen ein Spiegelteleskop mit 400mm Öffnung zum Einsatz kommen. Wir wollen dabei drei Fälle betrachten:

1) lineare Obstruktion 0%, unobstruiert
2) lineare Obstruktion 20%, Fangspiegeldurchmesser 80mm
3) lineare Obstruktion 30%, Fangspiegeldurchmesser 120mm



An der Sternabbildung fällt auf, dass der erste Beugungsring heller wird und mit größer werdender Obstruktion immer deutlicher zu sehen ist. Wenn man ganz genau hinschaut, wird auch ein zweiter Beugungsring sichtbar. Wenn nun also die Beugungsringe heller werden, so muss das Airy- Scheibchen logischerweise schwächer werden, denn schließlich steht ja nur eine begrenzte Lichtmenge zur Verfügung.

Normiert man die Intensität des Airy- Scheibchens bei einer unobstruierten Optik auf 1, so erhält man für die Intensität bei einer obstruierten Optik folgende Werte:

Obstruktion: 0% 10% 20% 30%
Intensität: 1,00 0,98 0,92 0,83


Man erkennt zum einen, dass eine Obstruktion von 10% fast keinen Einfluss auf die Helligkeit des Beugungsscheibchens hat und zum anderen, dass der Abfall der Intensität mit steigender Obstruktion immer schneller vonstatten geht. Je größer also die lineare Obstruktion, umso deutlicher und schneller zeigen sich die Effekte durch die Abschattung des Fangspiegels.

2) Obstruktion und stellare Grenzgröße


Wir wollen uns nun anhand der flächenbezogenen Obstruktion anschauen, ob und wie stark sich die Abschattung des Strahlengangs auf die stellare Grenzgröße auswirkt. Dazu wollen wir wieder unser 400mm Teleskop als Beispiel wählen.

Wie man sich leicht vorstellen kann, wird ein Teil des einfallenden Sternenlichts durch den Fangspiegel abgeblockt, erreicht also überhaupt nicht den Hauptspiegel. Es fehlt damit eine bestimmte Lichtmenge. Der fehlende Anteil lässt sich ausrechnen, indem man die Flächen von Haupt- und Fangspiegel miteinander vergleicht. Bei einer linearen Obstruktion von 20% gehen 4% des einfallenden Lichts verloren. Bei 30% sind es schon 9%, also mehr als das Doppelte. Das bedeutet, dass sich der effektive Spiegeldurchmesser auf 392mm bzw. 382mm verringert.

Nun stellt sich die Frage, ob sich das bei der visuellen Beobachtung auch tatsächlich auswirkt. Deswegen wollen wir bestimmen, um welchen Betrag die erreichbare Grenzgröße sinkt und kommen dabei auf folgende Werte: bei einer linearen Obstruktion von 20% sinkt die Grenzgröße um 0,04mag ab, bei 30% um 0,10mag.

Beide Werte sind in der Praxis absolut vernachlässigbar und kommen höchstens dann zum Tragen, wenn man Objekte im absoluten Grenzbereich beobachten möchte, also dort, wo es auf jedes eingefangene Photon ankommt.

3) Obstruktion und Kontrastübertragung


Während die Auswirkung der Obstruktion auf die stellare Grenzgröße nahezu vernachlässigbar ist, sieht das bei der Kontrastübertragung schon ganz anders aus.

Insbesondere bei der visuellen Beobachtung sollte man versucht sein, auch noch das letzte bisschen Kontrast aus seinem Teleskop herauszuholen. Denn Kontrast wird so ziemlich bei jedem flächigen Beobachtungsobjekt benötigt, sei es bei Spiralarmen von Galaxien, bei feinen Details in Emissionsnebeln oder bei Oberflächendetails auf den Planeten unseres Sonnensystems. Und ganz im Gegensatz zur Fotografie lassen sich die Bilder im Auge nicht kontrastmäßig nachbearbeiten. Wenn der vorhandene Kontrast also nicht im Okular ankommt, entscheidet das über Sehen oder Nichtsehen.

In der Praxis hat man es nur sehr selten mit Details zu tun, die kleiner als 1.0“ (Bogensekunden) sind. Daher wollen wir uns auf die Kontrastübertragung im Bereich >1“ konzentrieren.

Zuerst wollen wir uns anschauen, wie es sich mit der Kontrastübertragung bei einem 400mm Spiegelteleskop mit 20% Obstruktion verhält:



Die grüne Kurve zeigt die Kontrastübertragung eines unobstruierten 400mm Teleskops. Bringt man nun einen Fangspiegel mit einem Durchmesser von 80mm (lineare Obstruktion 20%) in den Strahlengang, so sinkt die Kontrastübertragung (gelbe Kurve) im Vergleich zur unobstruierten Optik. Details erscheinen kontrastärmer.

Orangefarben ist zusätzlich die MTF- Kurve eines unobstruierten 340mm Teleskops dargestellt. Vergleicht man nun die gelbe und orangefarbene Kurve miteinander, so wird deutlich, dass ein 400mm Teleskop mit 20% Obstruktion Objektdetails >1“ genauso kontrastreich abbildet wie ein 15% kleineres, unobstruiertes Teleskop mit 340mm Spiegeldurchmesser. Dieser Zusammenhang ist eine wichtige Erkenntnis, die wir später noch benötigen werden.

Schauen wir uns das Ganze noch für ein 400mm Teleskop mit einer linearen Obstruktion von 30% an:



Im direkten Vergleich sinkt hier die Kontrastübertragung noch deutlich schneller und stärker ab, so dass man mit einem 400mm Teleskop und 30% Obstruktion letzten Endes dieselbe Kontrastübertragung erreicht wie in einem 30% kleineren, unobstruierten Teleskop mit 280mm Spiegeldurchmesser.

4) Formel von Zmek


Anhand der beiden Beispiele lässt sich nun eine Faustformel für den sogenannten Kontrastdurchmesser eines Teleskops herleiten. Der Kontrastdurchmesser meint in diesem Zusammenhang den Durchmesser einer perfekten, unobstruierten Optik. Dabei gilt:

Kontrastdurchmesser = "Durchmesser_Hauptspiegel" - "kleine_Achse_Fangspiegel"

Die Formel besagt: Die Kontrastübertragung eines Spiegelteleskops mit einem Fangspiegel im Strahlengang ist genauso groß wie die eines kleineren, unobstruierten Teleskops. Ein 300mm Teleskop, das mit einem 60mm Fangspiegel bestückt ist, weist beispielsweise den gleichen Kontrastdurchmesser auf wie ein unobstruiertes Teleskope mit 240mm (Rechnung: 300mm - 60mm).

Wie schon angemerkt, handelt es sich um eine Faustformel, die aber dennoch recht gute Näherungswerte liefert. Bei einer linearen Obstruktion von 30% stimmt das Ergebnis ziemlich genau, bei kleinen Werten der linearen Obstruktion von 20% und weniger ist der Kontrastverlust etwas geringer als berechnet.

5) Fazit


Nachdem wir nun die theoretischen Grundlagen erörtert haben, wollen wir uns anschauen, was die Ergebnisse für die visuelle Beobachtung in der Praxis bedeuten:

Wenn es um die erreichbare Grenzgröße geht, spielt die Obstruktion so gut wie keine Rolle und kann vernachlässigt werden.

Ganz anders sieht es hingegen bei der Kontrastübertragung aus. Hier sollte man deswegen versucht sein, einen möglichst großen Kontrastdurchmesser seines Teleskops zu realisieren. Das erreicht man, indem man die Fangspiegelgröße auf ein Minimum reduziert. Dabei sollte man allerdings nicht außer Acht lassen, dass das zu 100% ausgeleuchtete Bildfeld mindestens 10mm betragen sollte. Auch die Qualität des Fangspiegels sollte man in seine Überlegungen mit einbeziehen – je besser die optische Qualität, desto kleiner kann der Fangspiegel in der Regel gewählt werden.

Für die visuelle Beobachtung ist bei einem Öffnungsverhältnis von f/4 eine lineare Obstruktion von 20-22% anzustreben, bei langbrennweitigen Systemen mit f/5 oder gar f/6 sind sogar Werte von 16-18% erreichbar.